U2 Richtung nah und fern (Nr. 17)
Ein später Sonntagabend an der U-Bahnhaltestelle Hamburg Hauptbahnhof Richtung Mümmelmannsberg. Die Türkei hat soeben Deutschland im Fußball 2:0 besiegt. Beim Hauptbahnhof hört man singende, grölende Feierwütige und hupende Autos. Unten am Bahnsteig scheint es ruhiger. Aber die Luft brennt. Acht junge Menschen trudeln nach und nach ein und stecken in kürzester Zeit in abenteuerlichen Konflikten und heftigen Auseinandersetzungen; lieben, verraten, begehren, hassen sich. Während beste Freunde sich meilenweit voneinander entfernen, entsteht zwischen Fremden ungeahnte, ungeheure Nähe – aber auch das Gegenteil …
Leseprobe
23:23 Die Geschichte beginnt
Ein Sonntagabend, es ist kurz vor halb zwölf abends. Am Hauptbahnhof an der Haltestelle der U2 Richtung Mümmelmannsberg treffen nach und nach Passagiere ein, die meisten auf dem Nachhauseweg. Vor einer Stunde wurde das Länderspiel Türkei − Deutschland abgepfiffen, die Türkei hat 2:0 gewonnen. Oben am Hauptbahnhof hört man hupende Autos, die mit laut aufgedrehter anatolischer Musik durch die Innenstadt fahren, sowie singende oder grölende Gruppen in Feierlaune, aber auch andere, die enttäuscht sind und Krawall suchen. Unten am Bahnsteig ist es ruhiger.
Jeffrey hat Feierabend, es war ein anstrengender Abend, das Spiel wurde live übertragen, sein Laden war total überfüllt. Jeffrey interessiert sich nicht für Fußball und mag diese Abende nicht besonders, die Fußballfans trinken zwar viel, geben aber kaum Trinkgeld. Jeffrey überlegt kurz, ob er warten soll, bis auch seine Freundin Terra, die bei einer Fastfoodkette arbeitet, fertig mit Arbeiten ist. Er könnte sie überraschen und sie abholen, aber er entscheidet sich dagegen. Irgendwie ist es seit einiger Zeit nicht mehr so die großartige Liebe zwischen den beiden… Er macht sich auf den Nachhauseweg. Auf der Rolltreppe runter zur U2 sieht er Dezember. Sie gefällt ihm. Sie hat unglaublich schöne, smaragdgrüne Augen, die perfekt zu ihren rotbraunen Haaren passen. Sie bewegt sich toll. Er geht ihr hinterher, beobachtet sie. Sie setzt sich unten bei den Gleisen auf die Bank. Die Bahn kommt, aber sie steigt nicht ein. Jeffrey zögert und entschließt sich dann, ebenfalls NICHT einzusteigen. Die Bahn fährt los. Auf dem leeren Bahnsteig bleiben nur Dezember und Jeffrey zurück. Sie hebt den Blick und sieht ihn mit ihren Smaragdaugen an. Er lächelt. Sie schaut schnell weg, muss sich aber ein Lächeln verkneifen. Was will der Typ von ihr? Mann, sie ist doch mit Malik verabredet! Wo bleibt der denn? Sie flucht innerlich. Blöder Dealer. Jeffreys Handy klingelt.